
Eine hochdosierte Behandlung mit Eicosapentaensäure (EPA), einer Omega-3-Fettsäure, kann Patienten mit erhöhten Triglyzeriden und kardiometabolischen Erkrankungen vor Herz-Kreislauf-Ereignissen schützen. Dies geht aus den Ergebnissen einer randomisierten kontrollierten Studie hervor, die auf der Jahrestagung der American Heart Association in Chicago vorgestellt und im New England Journal of Medicine (NEJM 2018; doi: 10.1056/NEJMoa1812792) publiziert wurde. Das Medikament könnte eine therapeutische Lücke schließen.
Statine sind bei der Behandlung von Hyperlipidämien das Mittel der Wahl. Statine senken jedoch in erster Linie den Cholesterinspiegel. Viele Patienten haben jedoch gleichzeitig erhöhte Triglyzeridwerte, die ein unabhängiger kardiovaskulärer Risikofaktor sind. Andere Lipidsenker wie Niacin oder Fibrate können zwar den Triglyzeridwert senken. Dass die Patienten dadurch auch vor Herz-Kreislauf-Ereignissen geschützt werden, konnte jedoch bisher nicht sicher in klinischen Studien belegt werden.
Auch für Omega-3-Fettsäuren hat es bisher nur Negativergebnisse gegeben. In der ORIGIN-Studie mit 12.536 Teilnehmern hatte ein Präparat mit 465 mg Eicosapentaensäure (EPA) plus 375 mg Docosahexaensäure (DHA) Menschen mit gestörtem Glukosestoffwechsel oder Typ-2-Diabetes nach 6,2 Jahren nicht vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen geschützt (NEJM 2012; 367: 309-18). Auch die kürzlich publizierte ASCEND-Studie mit 15.480 Teilnehmern erzielte mit der täglichen Einnahme von 460 mg EPA plus 380 mg DHA keine präventive Wirkung (NEJM 2018; 379: 1540-1550).
Eine kürzlich in JAMA Cardiology (2018; 3: 225-233) veröffentlichte Metaanalyse konnte auf der Basis von 10 Studien mit 77.917 Teilnehmern keinen Stellenwert für die Einnahme von Omega-3-Supplementen erkennen. Vor wenigen Tagen wurden schließlich die Ergebnisse des „Vitamin D and Omega-3 Trial“ (VITAL) mit 25.871 Teilnehmern veröffentlicht, in der die tägliche Einnahme von Fischölkapseln mit einem Gramm Omega-3-Fettsäuren über 5,3 Jahre insgesamt nicht vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützte, wenn auch das Herzinfarktrisiko um 28 % gesenkt wurde (NJEM 2018; doi: 10.1056/NEJMoa1811403).
Umso überraschender sind jetzt die Ergebnisse der REDUCE-IT Studie, die das einzige Präparat des Herstellers Amarin klinisch getestet hat: Icosapent ist ein hochgereinigtes und stabiles EPA-Ethylester. Das Medikament wurde in den USA 2012 als Vascepa zugelassen, weil es in Studien zuverlässig einen erhöhten Triglyzeridspiegel gesenkt hat.
REDUCE-IT Studie sollte untersuchen, ob die Verbesserung der Laborwerte günstige Auswirkungen auf die Gesundheit der Patienten hat. An der Studie nahmen an 473 Zentren vorwiegend in Nordamerika (keine deutsche Beteiligung) 8.179 Männer und Frauen im Alter über 45 Jahren teil, bei denen eine Hypertriglyzeridämie (Nüchternwert 150 bis 499 mg/dl, später ab 200 mg/dl) diagnostiziert wurde, die sich (erfahrungsgemäß) nicht unter einer initialen Statintherapie gebessert hatte. Etwa 70 % der Patienten hatten bereits ein Herz-Kreislauf-Ereignis erlitten, bei den übrigen 30 % lagen ein Typ-2-Diabetes und weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren vor.
Die Patienten wurden auf die 2-mal tägliche Einnahme von Kapseln randomisiert, die entweder 2 Gramm Icosapent (Tagesdosis 4 Gramm) oder ein anderes Öl enthielten. Die Dosis war also deutlich höher als in den vorangegangenen Studien zum Einsatz von Omega-3-Fettsäuren.
Der primäre Endpunkt war eine Kombination aus kardiovaskulärem Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall, koronarer Revaskularisierung oder instabiler Angina pectoris. Der wichtigste sekundäre Endpunkt umfasste kardiovaskuläre Todesfälle, Herzinfarkte oder Schlaganfälle. Die Dauer der Studie betrug median 4,9 Jahre.
Wie Deepak Bhatt vom Brigham and Women’s Hospital in Boston und Mitarbeiter berichten, trat ein primäres Endpunktereignis in der Icosapent-Gruppe bei 17,2 % der Patienten auf, verglichen mit 22,0 % der Patienten in der Placebogruppe. Die Hazard Ratio von 0,75 war mit einem 95-%-Konfidenzintervallvon 0,68 bis 0,83 hochsignifikant (P < 0,001). Den sekundären Endpunkt erreichten 11,2 % und 14,8 % der Patienten (Hazard Ratio: 0,74; 0,65-0,83; P < 0,001). Selbst eine Reduktion der kardiovaskulären Todesfälle (4,3 versus 5,2 %) war signifikant (Hazard Ratio 0,80; 0,66 bis 0,98).
Die absolute Reduktion des primären Endpunktes um 4,8 Prozentpunkte bedeutet, dass 21 Patienten über etwa 5 Jahre behandelt werden müssen, um ein Ereignis zu vermeiden (Number Needed To Treat 21; 15-33). Im sekundären Endpunkt betrug der Unterschied 3,6 Prozentpunkte, was eine Number Needed to Treat von 28 (20-47) ergibt.
Das sind aus Sicht von Bhatt sehr gute Ergebnisse, die erstmals eine klare Evidenzbasis für die Therapie der Hypertriglyzeridämie schaffen. Eine hochdosierte Gabe von EPA ist jedoch nicht ohne Risiken: In der REDUCE-IT-Studie kam es zu einem Anstieg der Krankenhauseinweisungen wegen Vorhofflimmerns (3,2 gegenüber 2,1 %) und häufiger zu schweren Blutungsereignissen (2,7 gegenüber 2,1 %).
Unklar ist, wie die Wirkung von Icosapent zustande kommt. Die Senkung der Triglyzeride um 18,3 % in der EPA-Gruppe gegenüber einem Anstieg um 2,2 % in der Placebo-Gruppe war nach Einschätzung von Bhatt zu gering, um die deutliche Senkung der Herz-Kreislauf-Ereignisse zu erklären. Das vermehrte Auftreten von Blutungskomplikationen deutet darauf hin, dass antithrombotische Mechanismen aufgrund einer verminderten Blutgerinnung eine Rolle spielen könnten.