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Zöliakie und Ernährung

Schätzungen zufolge sind circa 1% der europäischen Bevölkerung von Zöliakie betroffen. Dabei erkranken Frauen zwei mal häufiger als Männer. Die Autoimmunkrankheit kann in jedem Alter auftreten. Die einzige Therapie besteht zurzeit in einer lebenslangen glutenfreien Ernährung.

Einzige Therapie der Zöliakie ist eine glutenfreie Ernährung

Bisher gibt es keine ursächliche Therapie für Zöliakie-Betroffene. Die einzige Behandlungsmöglichkeit ist eine strenge und lebenslange glutenfreie Ernährung. Denn bereits ¼ g Weizen kann die Dünndarmschleimhaut schädigen! Glutenhaltige Lebensmittel sind tabu, auch solche Nahrungsmittel, in denen Gluten nur in Spuren vorhanden ist. Glutenfreie Lebensmittel, die im Handel erstanden werden können, weisen eine besondere Kennzeichnung auf. Das Symbol mit der durchgestrichenen Getreide-Ähre hilft Zöliakie-Betroffenen die für ihre Ernährung richtigen Produkte auszuwählen. Manche Hersteller schreiben zusätzlich auch “glutenfrei” bzw “gluten free” drauf. Bis zu 20 mg Gluten pro 100 g Produkt enthalten als glutenfrei gekennzeichnete Lebensmittel maximal. Dieser Grenzwert gilt als unbedenkliche Aufnahme.

Der Warnhinweis “Kann Spuren von Gluten enthalten” verwirrt dagegen viele Erstdiagnostizierte. Verbraucher werden mit diesem Hinweis gewarnt, dass in der Rezeptur selbst kein Gluten enthalten ist, es jedoch bei der Herstellung zu Kreuzkontaminationen kommen kann. Zöliakie-Betroffene müssen diese Produkte meiden. Ein Fehlen dieses freiwilligen Hinweises ist allerdings auch keine Garantie dafür, dass keine Kontamination vorliegt. Eine Mitgliedschaft in der Deutschen Zöliakie Gesellschaft (DZG), Österreichische Arbeitsgemeinschaft Zöliakie oder der IG Zöliakie der deutschen Schweiz hilft anfangs mit der Diagnose Zöliakie umzugehen. Neben umfangreichen Informationen zum Thema, Tipps für den Alltag und Rezepten, ist vor allem die glutenfreie Lebensmittel-Liste interessant (Bei der DZG gibt es auch eine spezielle App für das Smartphone). Sie bietet Sicherheit beim Einkauf, sodass Gluten in der Ernährung auch wirklich strikt gemieden werden kann.

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Was ist erlaubt, was nicht?

Wer die Diagnose der Autoimmunerkrankung Zöliakie bekommt, steht erstmal unter Schock. Traditionell hergestelltes Brot, Brötchen, Kuchen, Nudeln, Pizza ist für immer passé. Zunächst fühlen sich Betroffene extrem in ihrer Ernährung eingeschränkt. Mit der Zeit aber und umso mehr sie sich mit der neuen Ernährungsweise auseinander setzen, desto mehr Möglichkeiten finden sie sich doch lecker und abwechslungsreich ernähren zu können.

Die nachstehende Tabelle gibt eine Übersicht über die Getreidesorten und Lebensmittel, die bei einer Zöliakie-Ernährung erlaubt sind und welche gemieden werden müssen. Was man als Zöliakie-Betroffener als erstes lernt: immer die Zutatenliste durchzuschauen! Allergene sind fett markiert. Auch auf Zucker und Zuckeraustauschstoffe (Gerste und Weizen relevant) muss geachtet werden.

Erlaubt: Amaranth, Quinoa, Buchweizen, Hirse, Reis, Wildreis, Teff, Mais, glutenfreier Hafer;

Mehl aus Hülsenfrüchten (Linsen, Kichererbsen) oder Kastanien, Nussmehl, Mandelmehl, Lupinenmehl, Leinsamenmehl; Stärke aus Kartoffeln, Mais, Reis, Tapioka

Verboten: Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste, Grünkern, Einkorn, Emmer, Hafer; und daraus gewonnene Erzeugnisse Mehl, Stärke, Kleie, Flocken und verarbeitete Lebensmittel wie Teig und Backwaren, Bier, Malzbier, Malzkaffee, Sojasauce, panierter Fisch und Fleisch
Vorsicht bei: Fruchtjoghurt, Gewürzmischungen, Geschmacksverstärker, Fertig-Saucen, Cornflakes, Brühwürfel, Mayonnaise, Ketchup, Senf, Süßigkeiten, Schokolade, Eis, Pommes, Chips und Medikamente

Alle unverarbeiteten Lebensmittel sind sowieso erlaubt:

  • Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Gemüse, Salate,  Kräuter, Obst, reine Gewürze
  • Milch und Milchprodukte (z. B. Naturjoghurt, Buttermilch, Quark, Frischkäse natur, Naturkäse)
  • Tofu, Sojamilch, Reismilch, Mandelmilch
  • Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte, Eier
  • Pflanzenöle, Butter, Margarine, Nüsse, Samen
  • Zucker, Honig, Marmelade
  • Getränke (z. B. Kaffee, Tee, reine Fruchtsäfte, Mineralwasser, Sekt, Wein)

Spätfolgen von nicht-diagnostizierter Zöliakie

Folgende Auswirkungen treten auf, wenn eine Zöliakie nicht behandelt wird, weil sie entweder noch nicht diagnostiziert wurde oder weil sich Betroffene nicht strikt an die glutenfreie Ernährung halten:

  • Mangel an Vitaminen und Spurenelementen: insbesondere Eisen, Folsäure, Vitamin D, Vitamin K, Kalzium
  • Kinder: Gedeihstörungen (körperlich und geistlich)
  • Osteoporose, Arthritis, Zahnschmelzdefekte, erhöhte Leberwerte
  • Krebs (insbesondere Lymphome des Dünndarms und Adenokarzinome): nach 5 Jahren strikter glutenfreier Ernährung kein erhöhtes Risiko mehr
  • Frauen: Zyklusstörungen bishin zu Schwierigkeiten Schwanger zu werden
  • Schwangere: Frühgeburten, Kinder bei Geburt untergewichtig

Worauf ist zu achten?

Fertigprodukte bzw glutenfreies Brot, Brötchen, Kuchen, Nudeln und Pizza gibt es in der glutenfreien Variante zu kaufen. Ein wenig Vorsicht ist geboten, wer bei der Ernährungsumstellung nicht zunehmen möchte. Diese Fertiggerichte enthalten mehr Fett und Zucker (häufig auch viel Maisstärke) und somit mehr Kalorien als die glutenhaltigen Pendants, um die durch das fehlende Klebereiweiß verursachte trockene Konsistenz auszugleichen. Sie verfügen zudem oft über einen geringeren Anteil an sättigenden Ballaststoffen, wodurch mehr davon gegessen wird.

Außerdem muss mit Mehrkosten gerechnet werden. Spezialprodukte sind wesentlich teurer, denn bei der Herstellung sowie bereits bei der Auswahl der Zutaten muss durchgehend die Glutenfreiheit gewahrt werden. Zu finden sind glutenfreie Produkte in (Bio-) Supermärkten, Discountern; Reformhäuser sortieren die Produkte meist in ein eigenständiges Regal. Rossmann bietet unter seiner Eigenmarke glutenfreie Produkte an, so auch der Bio-Supermarkt Alnatura mit der Eigenmarke Alnavit. Online ist ein größeres Sortiment zu finden (insbesondere Querfood und Foodoase sind hier zu nennen). Online einkaufen ist praktisch, insbesondere wenn man noch “ neu “ ist in der glutenfreien Welt, denn dort bekommt man alles aus einer Quelle: z.b. Backmittel, Nudeln, Bier, Mehlmischungen, frische Backwaren, Wurst und Aufstriche. Bekannte Marken für glutenfreie Lebensmittel sind unter anderem 3Pauly, Alnavit, Bauck Hof, Hammermühle, Poensgen, Seitz, Schär, Schnitzer, Werz,  etc.

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Mehle selber mischen, selbst Brot backen und frisch kochen sind zwar zeitaufwändiger aber auch kostengünstiger und man behält den Überblick über die Zutaten. So kann man zum Beispiel den Grad und die Art der Stärke im Mehl selbst bestimmen und vermehrt auf Vollkornmehle zurückgreifen. Mehle und Zutaten für das selber backen kann man aus den bereits genannten Quellen beziehen. Anzumerken ist noch, dass es lohnenswert ist asiatischen Supermärkten einen Besuch abzustatten. Dort findet man glutenfreie Mehle – z.B. Reisstärke, Tapiokastärke, Linsenmehl – und Lebensmittel: Reisnudeln, Shirataki-Nudeln sowie glutenfreie Sojasauce für Sushi-Liebhaber.

Allgemein gilt es auf den Ballaststoffanteil in der Nahrung zu achten. Zöliakie-Betroffene sollten auf Hülsenfrüchte, viel frisches Gemüse und Obst setzen.

 


Weitere Tipps:

  • Nicht beirren lassen, was Hygiene in der Küche angeht: Spuren im Haushalt vermeiden, eigener Toaster, eigene Backutensilien, verschließbare Behälter, Kochgeschirr aus Silikon (Holz nicht zu reinigen), Arbeitsflächen gut reinigen (Achtung Mehlstaub!)
  • Nicht wundern, glutenfreier Teig hat eine andere Konsistenz: flüssiger weil er Wasser nicht so gut speichern kann, Tipp Gefäß mit Wasser in den Ofen stellen, Zum Teig mehr Eier, mehr Flüssigkeit hinzufügen
  • Röstaromen – Gute Idee ist es Brot zu rösten, denn anderer Geschmack als bisher gewohnt
  • Inspiration im Internet finden: zahlreiche bereits erprobte Rezepte, wo Zutaten aufeinander abgestimmt sind (zu nennen Trudels und Tanjas glutenfreies Kochbuch), englischsprachiger Raum noch mehr Auswahl
  • Wer selber backen möchte, braucht Bindemittel: Xanthan, Johannisbrotmehl, Flohsamenschalenpulver, ..
  • Online einkaufen, es gibt Sonderangebote, „Pakete“, die nicht im normalen Handel erhätlich sind und Rabattaktionen (Geld sparen)
  • Vorrat anlegen und für Platz im Küchenschrank und Eisfach sorgen: Wer hat schon die Zeit immer selbst alles herzustellen? Selbstgebackenes oder gekauftes problemlos einfrierbar. Vor allem Selbstgebackenes oft sehr feucht (Achtung Schimmelgefahr!)
  • Im Restaurant essen: seit 2014 gilt die neue Verordnung Allergene in Speisekarten zu nennen, zusätzlich der Bedienung mitteilen, dass Gluten (in Saucen bspw) strikt gemieden werden muss, dennoch kann es zu Kontamination in der Küche kommen, es gibt „glutenfreie“ Restaurants in Großstädten.
  • Ernährungsberatung in Anspruch nehmen (von der Krankenkasse finanziert)
  • Bei Zöliakiegesellschaften eintreten und lokalen Betroffenen-Gruppen beitreten für informierten Austausch

Aktuelle Forschung zu Zöliakie und Ernährung

Die obenstehenden Informationen dienen den „frisch“ diagnostizierten Zöliakie-Betroffenen den ersten Schock zu nehmen. Die Auswahl an glutenfreien Lebensmitteln ist recht groß. Jetzt in der Weihnachtszeit gibt es auch glutenfreie Oblaten, (Elisen-) Lebkuchen, Dominosteine und das allseits beliebte Spekulatius zu kaufen.

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Doch das Verzehren von nicht als glutenfrei deklarierten Produkten bergen Risiken von Spuren. Auch in Restaurants kann es zur Kontamination mit Gluten anderer Speisen kommen. Bereits 1/4 Gramm Gluten kann die Dünndarmwandhaut schädigen! Es ist nicht leicht sich komplett glutenfrei zu ernähren. Aus diesem Grund ist es gut zu wissen, was sich in der Forchung tut, insbesondere in der Forschung für Gegenmittel.

Ursachenforschung

Ernährung, Gene, Viren, Umweltfaktoren – was verursacht Zöliakie? Warum gibt es prozentual mehr Menschen, die daran erkranken als früher? Die Diagnostik ist heutzutage weiter, das Verständnis für die Krankheit größer. Verschiedene Einflussfaktoren werden in Fachkreisen diskutiert.

Die genaue Ursache für Zöliakie steht nicht fest! Auch wird sie nicht bei jedem Patienten gleich sein, weil wahrscheinlich mehreren Faktoren an der Entstehung beteiligt sind. Erbliche Faktoren spielen eine wichtige Rolle, aber auch Infektionen – insbesondere mit Rotaviren – stehen im Verdacht diese Erkrankung auszulösen. Die Ernährung, das Immunsystem, das Gluten selbst und Umweltfaktoren scheinen die Entwicklung zusätzlich zu beeinflussen.

Häufig wird auch die Entstehung mit der Ernährungsform im Säuglingsalter diskutiert. Die neueste Vorgabe für Mütter besteht darin, ihre Kinder nach Möglichkeit 4-6 Monate voll zu stillen und erst dann mit dem Zufüttern von Getreide – in kleinen Mengen – zu beginnen.

Forschung neue Therapien

Zugelassene Medikamenten gibt es noch keine, aber Wissenschaftler arbeiten an verschiedenen therapeutischen Ansätzen.

TU Wien + SCIOTEC Diagnostic Technologies GmbH:

  • An der TU Wien Medizinprodukt entwickelt, dass die Symptome der Zöliakie lindern oder gar beseitigen kann
  • Studie 2018 veröffentlicht von Eggenreich und Kollegen: hier Link zu der Studie
  • Das Präparat attakiert Gluten-Moleküle direkt und wird zusammen mit glutenhaltigen Lebensmitteln aufgenommen
  • Ersetzt nicht die glutenfreie Diät, aber Zöliakie-Patienten müssen sich nicht ständig Sorgen um „Spuren“ in der Nachrung machen. Es wird evtl möglich sein maximal 5 Gramm Gluten am Tag zu essen (Im Vergleich normale Ernährung besteht aus durchschnittlich 20g Gluten)
  • Produkt 2021 wahrscheinlich schon in Apotheken verfügbar

Dr. Falk Pharma GmbH und Zedira GmbH:

  • Transglutaminase-Inhibitor ZED1227 : Hemmung der fehlregulierten Gewebetransglutaminase (TG2, tTG)
  • Seit diesem Jahr in Studientestphase 2a, dient der Dosis Findung und Bestätigung der Wirkung bei täglicher Glutenbelastung, Test an Zöliakiepatienten
  • Weitere Testphasen, und evtl später Zulassung stehen noch an, Prozess dauert noch mindestens 4-6 Jahre

Auch an anderen Wirkstoffen wird zurzeit gearbeitet, die sich bereits in klinischen Testphasen befinden. Dazu gehören ein wasserlösliches Polymer ­(BL-7010), Zonulin-Rezeptor-Antagonisten und prolinspezifische Endopeptidasen (PEP) wie ALV003 und AN-PEP.